Vier Filter zur Spende

Der zentrale Unterschied der Spende zum Rechnungsinkasso ist die Freiwilligkeit. Keine NPO hat ein Anrecht auf eine Spende. Es ist, übrigens in der Abgabenordnung so festgeschrieben, eine völlig freiwillige Leistung, für welche keine Gegenleistung gewährt oder versprochen werden darf. Das gilt auch für jede Form einer Patenschaft oder sonstigen Verpflichtung zu einer regelmäßigen Spende. Eine Spenden-Verpflichtung ist immer nur eine moralische Verpflichtung, niemals eine rechtliche. Jede Spendenbitte durchläuft vier potenzielle Filter bei den angesprochenen Personen:

  • Filter 1: Möglichkeit
  • Filter 2: Wille
  • Filter 3: Thema
  • Filter 4: Bitte

Nur wenn es unserer Spendenbitte gelingt alle vier Filter zu passieren, erhalten wir eine Unterstützung. Hier nun die Filter im Detail:

1. Filter: Die fehlende Möglichkeit zur Spende   

Wenn jemand objektiv aufgrund finanzieller, räumlicher oder gesetzlicher Gründe nicht in der Lage ist, eine Spende zu geben, laufen die Fundraising-Maßnahmen fast immer ins Leere. Die häufigsten Fälle sind:

  • Minderjährige (selten gibt es Taschengeldspenden)
  • unter Betreuung stehende Menschen
  • wohnungslose Menschen
  • von Sozialleistungen abhängige Menschen
  • häufig Studierende
  • die meisten Menschen in Pflegeheimen
  • Inhaftierte
  • kein oder zu aufwendiger Zugang zu den Zahlungswegen (techni­sche Hürden oder fehlender Mobilität)
Ein relevanter Teil der Bevölkerung ist von der Möglichkeit der Spende faktisch ausgeschlossen

2. Filter: Der fehlende Wille zu spenden 

Menschen, die aus Überzeugung nicht spenden, sind nicht so leicht erkennbar wie diejenigen aus dem ersten Filter. Fälle sind:

  • grundsätzliche Spendenverweigerung (Motive s. u.)
  • das Spenden übernimmt der oder die Partner*in

3. Filter: Thematische Inkompatibilität    

Dieser Filter ist durchlässiger als die beiden ersten Filter. Ob hier reagiert wird, ist oft davon abhängig, von wem man angesprochen wird oder ob es durch die Form der Ansprache gelingt, neue Blickwinkel zu eröffnen. Die Filter hier sind insbesondere:

  • Das beworbene Thema passt nicht zum Gebe-Schema (z. B. Woh­nungslose, Kultur, Natur, Umweltschutz, Eine-Welt etc.).
  • Die werbende NPO wird nicht unterstützt (Kirche, Großorgani­sa­tion, schlechte Erfahrung etc.).

4. Filter: Die Bitte spricht nicht an             

Dieser Filter ist derjenige, bei welchem wir als Fundraiser*innen in unserem Element sind und herausgefordert sind, die Spendenbitte dergestalt zu übermitteln, dass sie positiv aufgenommen wird.

Nur wenn die Spendenbitte alle vier Filter erfolgreich passiert, werden wir eine Spende erhalten. Je genauer wir die Filter kennen und unsere Bitte gegebenenfalls anpassen, desto erfolgreicher sind wir.

Hier nun die häufigsten Gründe aus Seminaren, warum Menschen auf unsere Spendenbitte nicht reagieren. Es sind fast nur Gründe, die den vierten Filter verstopfen, manche den zweiten oder dritten:

  • Kein Geld: Dieses Stichwort kommt fast immer als erstes. Doch so rich­tig es ist, so irreführen ist es gleichzeitig. Denn „kein Geld“ heißt sehr häufig „kein Geld für diesen Zweck“ oder „kein Geld jetzt“.      
    Die Erfahrung zeigt, dass gerade ältere Menschen, die kein so ho­hes Einkommen haben, überproportional häufig Spenden ge­ben, oft bis zu ihrer Schmerzgrenze.             
    „Kein Geld zu haben“ ist häufig eine subjektive Sicht. Der Satz müss­te eher lauten, „Ich gebe mein Geld für andere Dinge aus.“  Das ist wie beim „Ich habe keine Zeit“, was meist heißt, „Ich habe dafür keine Zeit“.         
  • Geiz: „Ich gebe nichts“ und „Mir gibt auch keiner was.“ Das sind typische Sätze aus dem zweiten Filter. Aber es steckt dahinter nicht immer eine grundsätzliche Ablehnung von Spenden. Manch­mal ist es auch nur der falsche Zweck oder die falsche Person, die bit­tet.
  • Zweifel am Anliegen: Nicht jeder Spendenzweck spricht jeden Men­schen gleichermaßen an. Das geht einem selbst nicht anders. Manche Spendenzwecke sind einfach etwas dubios, kommen schräg rüber oder sind auch mit viel gutem Willen nicht nach­voll­ziehbar.
  • Hohe Verwaltungskosten: Insbesondere große NPOs leiden unter dem Vorurteil, dass Spenden nur zu einem geringen Teil dem ge­wünsch­ten Zweck zugutekämen.
  • Unangenehmes Thema: Es gibt Themen, mit denen man nicht in Ver­bindung gebracht werden möchte. Oder Themen, die einen ängstigen oder an traumatische Erlebnisse erinnern.
  • Falscher Moment: Die Spendenbitte erreicht mich, wenn ich be­schäf­tigt bin. Das kann der Telefonanruf zur Abend­essens­zeit sein, die Ansprache in der Fußgängerzone oder der Brief, wenn ich ge­ra­de für den Urlaub packe.
  • Unangenehme Person: Ein Mantra im Fundraising ist „people give to people.“ Wenn einem der Mensch unangenehm ist, der um die Spende bittet, ist das ein starker Filter, der die ansonsten gute Leistung einer NPO überdecken kann. Das kann eine Schirmperson der NPO sein, ein unvorteilhaftes Foto auf dem Spendenbrief etc.
  • Fehlende Infos über die Organisation: Wir kennen unsere NPO oft in- und auswendig. Den Menschen, die wir ansprechen, ist sie oft gänz­lich unbekannt. Viele Spender*innen sind gerne auf der siche­ren Seite, was ihre Unterstützung angeht. Man bleibt bei bewähr­ten NPOs oder prüft vorab sehr genau.
  • Stil der Ansprache: Wir alle nehmen Spendenbitten unter­schied­lich wahr. Ob emotional oder sachlich, ob mit mehr oder weniger Fotos, das sind häufig Fragen der Persönlichkeit und wie man an­ge­sprochen werden möchte. Was beim einen sofort einen Spen­den­reiz auslöst, mag beim anderen als emotionaler Kitsch im Pa­pierkorb landen.
  • Hoher Druck, keine Bedenkzeit: Zeitlicher Druck führt zur Ent­schei­dung, das kennen wir von Prüfungsvorbereitungen. Druck im Fund­raising führt oft zu Abwehr. Das macht einige Fundraising-
    In­stru­mente, wie zum Beispiel die Straßen- und Haustürwerbung oder das Telefon­fund­­raising, für viele Menschen problematisch.
  • Zu viele Bitten: Wer zu oft gebeten wird, kann sich oft nicht mehr entscheiden, wie das eigene Spendenbudget nun verteilt werden soll. Oder es sind objektiv zu viele Bitten, angesichts begrenzter finan­ziel­ler Mög­lich­keiten. Das führt zu Spenden-Abstinenz oder zu sehr vie­­len und meist eher niedrigen Spenden.
  • Wechselnde Themen: Geworben wurde der Mensch mit der Hilfe für Delfine. Das nächste Spendenmailing dreht sich um Atomkraft und das dritte um Wälder im Amazonas. Dass das Themen der iden­­tischen NPO sind, ist für Spender*innen zu Beginn nicht in­tuitiv erkennbar, sie sind verwirrt.
  • Andere Anliegen sind wertvoller: Die Menschen wissen wofür sie am liebsten spenden. Sie wissen auch, welche Zwecke von ihnen nicht gefördert werden.
  • Egoismus: „Jeder soll sich um sich selbst kümmern und um Be­dürf­t­­ige der Staat. Mit hilft auch niemand.“ Wer so denkt, wird schwer von einer Spende zu überzeugen sein.

Werte, Wünsche und Ziele bilden den Kern des Fundraisings

Im Fundraising geht es nur oberflächlich um Geld. Es geht in erster Linie um Werte, Wünsche und Ziele, und zwar um die der Spenderinnen und Spender. Als NPO, mit unseren eigenen Werten, suchen wir diejenigen Menschen, die diese teilen und aktiv unterstützen wollen.

Als Fundraiser*innen müssen wir damit leben, dass Menschen unsere Spendenbitte ablehnen. Wenn der Brief im Papierkorb landet, spüren wir das nicht so. Wenn wir im Gespräch ein „Nein danke“ hören oder auf der Straße ignoriert werden, ist das schon schwerer. Doch ein „Nein“ ist nicht immer das letzte Wort. Manchmal heißt es auch:

  • … nicht heute …        
  • … nicht in dieser Höhe …        
  • … lieber für einen anderen Zweck bei Ihnen …

Viele der oben genannten Gründe, die zu einem „Nein“ führen, können wir als Fundraiser*innen aktiv durch die Qualität unserer Arbeit beeinflussen. Das sollte uns ein Ansporn sein.


Dieser Text ist ein kleiner Auszug aus meinem Fach- und Lehrbuch
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