Blick von oben in ein Nähkästchen mit Unterteilungen

Stiftungsanträge – immer maßgeschneidert

Wenn eine Stiftung eine Website hat, Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen ist oder auf anderem Weg in einem öffentlichen Stiftungsverzeichnis landete, wird sie früher oder später Förderanträge erhalten. Mich erreichte bei eva’s Stiftung beispielsweise einmal ein Antrag, in dem in einem zweiseitigen Brief ein soziales Beratungsprojekt vorgestellt wird. Als Bitte lese ich:

“Unsere Bitte an Sie: Unterstützen Sie [xxx] in seiner Startphase und beim weiteren Aufbau mit einem finanziellen Beitrag. Denn gute Árbeit und soziale Gerechtigkeit muss für alle möglich sein. Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung. Selbstverständlich stellen wir dafür Spendenquittungen aus. Über eine Antwort würden wir uns sehr freuen, gerne füllen wir auch Ihre Antragsformulare aus.”

Ausschnitt aus einem Antrag an eine Stiftung.

Doch, leider leider, kann ich der wohlformulierten Bitte um einen finanziellen Beitrag nicht nachkommen. Da gibt es gleich drei Gründe – und das ist nicht nur die arg missglückte Formulierung mit den Antragsformularen:

  • Die Mittel für das laufende Jahr sind vergeben. Neue Anträge werden erst im Februar beraten.
  • Unsere Satzung sieht die Förderung Dritter nicht vor.
  • Selbst wenn eine Förderung satzungsgemäß möglich wäre, wüsste ich überhaupt nicht, was der Antragsteller von unserer Stiftung erwartet. Sind es 200, 2.000 oder 10.000 Euro?

Solche Anträge erreichen mich immer wieder. Keine Vorabrecherche, keine konkrete Spendenbitte – das sind absolute K.O.-Kriterien bei einem Stiftungsantrag. Ich antworte den Antragstellern dann meist freundlich und kurz. Bei vielen Stiftungen erfolgt aber keine Reaktion.

Und danach höre ich in Fundraising-Seminaren, wie mühsam es ist, bei Stiftungen Gelder zu erhalten …

Wissen, wie Stiftungen fördern

Wer sich auf das Beantragen von Stiftungsmitteln konzentrieren will, muss sich mit dem Wesen der Stiftung befassen und sich vor allem darüber klar werden, wie unterschiedlich Stiftungen und die in ihnen handelnden Personen sind.

  • Vorstand: Der Vorstand kann im Minimalfall aus genau einer Person bestehen. Der Vorstand entscheidet über die Vergabe der Erträge der Stiftung. Manchmal wird er dabei durch ein Kuratorium o. Ä. beraten. Vorstände sind zum Beispiel der oder die Stifterin, von Stifterinnen eingesetzte Personen, Bankmitarbeitende etc.
  • Stiftungssatzung: Basis für jede Förderung ist die Stiftungssatzung, die, nach Errichtung einer Stiftung, im Kern unveränderlich ist.
  • Fördermittel: Eine Stiftung muss ihr Stiftungskapital erhalten und darf es nicht für die Förderung angreifen. Dafür werden nur die Erträge aus dem Stiftungsvermögen genutzt (Zinsen, Dividenden, Gewinne aus Firmenbeteiligungen, Mieteinnahmen etc.), sowie erhaltene Spenden. Kleine Stiftungen haben vielleicht nur 3000 Euro jährlich zur Verfügung, andere einige Zehntausend Euro und sehr wenige sogar die oft vermuteten Millionenbeträge.

Stiftungsanträge sind ähnlich wie die Bewerbungen auf ausgeschriebene Arbeitstellen: Das Grundgerüst der Unterlagen ist bei jeder Bewerbung gleich. Aber das Anschreiben und der Lebenslauf sind auf das jeweilige Unternehmen und die geforderten Qualifikationen hin angepasst. Bei Anträgen an mehrere Stiftungen werden einzelne Bestandteile identisch sein. Aber das Anschreiben und eventuell auch die Projektbeschreibung formuliert man passgenau auf das Stiftungsprofil und die Förderkriterien hin.

Jeder Antrag ist einmalig

Jede Stiftung ist eigenständig in Bezug auf Vorstand, Antragsverfahren, Förderbereich, Fördervolumen und Kontaktmöglichkeit. Der größte Fehler von Fundraiser*innen ist, den identischen Antrag an mehrere Stiftungen aus einem Verzeichnis zu senden. Dieser Serienbrief wird fast nie zum Erfolg führen, landet meist direkt im Papierkorb.
Stiftungen sind so unterschiedlich, wie die im Großspenden-Fundraising angesprochenen Menschen. Und die Recherche vor einem gestellten Antrag erfordert einen nicht zu unterschätzenden Aufwand. Aber dieser Weg lässt sich nicht abkürzen.

Ein individuell auf eine Stiftung verfasster Antrag ist daher der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zum Erfolg. Im Idealfall hat man etwas über die dort entscheidenden Personen recherchieren können oder kennen sie sogar. Jetzt folgt der zweite Schritt. Der Antrag sollte so formuliert sein, dass er auch den Geschmack dieser Menschen trifft, die richtigen Stichworte verwendet und letztlich die Werteebene zum Schwingen bringen. Denn in den meisten Fällen schreibt man keine nach streng formalen Kriterien arbeitende Stiftungs-„Behörde“ an, sondern ehrenamtlich oder nebenberuflich engagierte Menschen. Und so wird man bei einem als sehr konservativ recherchierten Menschen andere Schlagworte verwenden als bei einer progressiveren Person.

Die erste Recherche kann über die folgenden Stellen laufen:

  • Bundesverband Deutscher Stiftungen: Unter der eingängigen URL https://stiftungssuche.de findet man 12.000 bis 30.000 Stiftungen mit ihren Porträts, abhängig davon, ob man die freie Suche benutzt oder den kostenpflichtigen Plus-Zugang bucht. Wer häufig recherchiert, wird die 400 Euro jährlich gerne bezahlen. Für andere ist der Monatszugang für 40 Euro passend (Stand: 7/2024).
  • Stiftungsverzeichnisse: Abhängig von Bundesland, Landeskirche, Regierungsbezirk oder Kommune, werden Stiftungsverzeichnisse in mehr oder weniger hilfreicher Form geführt. Diese müssen Sie finden und im nächsten Schritt darin weiter recherchieren.
  • Online-Suche: Eine normale Internet-Recherche kann Ihnen bereits einige Stiftungen in Ihrer Region nennen, die die Basis für weitere Recherche oder erste Anträge sein können.

Wer nach einer passenden Stiftung für seine NPO oder ein Projekt sucht und dann die ersten anschreibt, wird von der einen oder anderen Stiftung auch eine Rückmeldung erhalten. Wichtig ist nun, nicht nur die Zusagen, sondern auch die Absagen sorgfältig zu erfassen. Denn gerade in den Absagen werden oft wichtige Hinweise gegeben, warum eine Förderung grundsätzlich, in diesem Fall oder nur aktuell nicht möglich ist. Dieses Wissen gehört in die NPO-eigene Stiftungsliste, so dass es bei einer späteren Stiftungs-Recherche wieder zur Verfügung steht. Sonst fängt man erneut bei null an. Und auch alle erfolgreich angesprochenen Stiftungen werden, wie im Großspenden-Fundraising geübt, mit ihren Besonderheiten notiert. Stiftungsfundraising erfordert ein aktives Wissensmanagement.

Man muss zu jeder Stiftung individuell recherchieren und sie individuell ansprechen. Die Recherche zu den Stiftungen erhöht die Chance auf eine Förderung nicht nur, sie ist die Grundlage dafür.

Folgende Punkte müssen bei den infrage kommenden Stiftungen recherchiert werden:

  • Was fördert die Stiftung, was sind die genauen Förderbereiche?
  • Gibt es konkrete Auflagen für eine Förderung?
  • Fördert die Stiftung regional beschränkt oder deutschlandweit?
  • Was sind Auswahlkriterien?
  • In welcher Höhe ist eine Förderung möglich?
  • Muss der Antragsteller zusätzlich eigene Gelder bereitstellen?
  • Für welchen Zeitraum ist eine Förderung möglich?
  • Darf das Projekt schon vor Förderungsbeginn begonnen haben?
  • Bis wann muss der Antrag gestellt werden?
  • Wie schnell können Fördergelder fließen?

Tipp: Wenn Sie eine fördernde Stiftung gefunden haben, prüfen Sie, ob die Stiftung auf ihrer Internetseite häufig gestellte Fragen (FAQ) beantwortet. Es lohnt sich zudem, sich bereits von der Stiftung geförderte Projekte genau anzusehen.

Zum Thema des Umgangs mit den unterschiedlichen Vorstandspersönlichkeiten habe ich hier gebloggt.


tl;dr: – Recherchieren ist das A und O im Werben um Stiftungsgelder. – Die Kontakte müssen akribisch dokumentiert werden. Das gilt für Zu- wie für Absagen und für persönliche Eindrücke. Denn das ist die Basis für künftige Förderanträge. Jede NPO gelangt so zu einem individuellen Stiftungsverzeichnis.


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