Stiftungen – es menschelt
Stiftungsanträge ohne vorherige Recherche zu stellen ist mehr als nur gewagt. Es ist meist aussichtslos. In einem anderen Blogbeitrag habe ich beschrieben, wie eine Stiftungsrecherche aussehen kann und dass jeder Antrag maßgeschneidert sein muss.
Wer sich nun glücklich schätzt und Förderkriterien auf einer (der seltenen) Stiftungswebsite entdeckt hat, ist einen guten Schritt weiter, aber nun kommt ein wichtiger Punkt dazu: Gerade im Kontakt mit kleinen oder mittleren Stiftungen, die oft ehrenamtlich geführt werden, darf man nicht nur die objektiven Förderkriterien im Blick haben. Es sind oft subjektive Motive der dort handelnden Personen, die eine Förderentscheidung beeinflussen. Eine sichere Einschätzung in Bezug auf die Erfolgsaussicht des Antrags ist selten möglich. Was beim Vorstand der ersten Stiftung positiv wirkt, kann beim nächsten Vorstand einen negativen Beigeschmack haben. Deshalb ist eine tiefergehende Recherche gerade bei den kleineren Stiftungen vorab auch so wichtig.
Wer ist Vorstand – und mit wie vielen Köpfen?
Und gut zu wissen: Der Vorstand kann im Minimalfall aus genau einer Person bestehen. Meist entscheidet dieser Mensch – nicht selten in sehr fortgeschrittenem Alter – über die Vergabe der Erträge der Stiftung. Manchmal werden Vorstandspersonen dabei durch ein Kuratorium o. Ä. beraten. Vorstände sind zum Beispiel der oder die Stifterin, von ihnen eingesetzte Personen, Bankmitarbeitende etc.
Doch aus was ist nun zu achten, jenseits der Förderkriterien und der Satzung? Subjektive Maßstäbe sind beispielsweise:
- individuelle Gewichtung bei den satzungsgemäßen Förderzielen
- eigene Interpretation von Förderschwerpunkten
- die beantragte Sache für gut halten
- Mitleid
- die Mittel gehen immer an die gleichen Organisationen
- es wird gewechselt, es müssen immer wieder neue Organisationen sein
- kleine NPOs werden bevorzugt.
- bekannte NPOs werden bevorzugt
- gezeigte Dankbarkeit gegenüber der Stiftung und dem Vorstand
- Höhe des Aufwands als Vorstand
- Verwaltungskosten-Anteil
- (un-)angenehme Ansprechpartner*innen in der Organisation
- fehlende Infos über die Organisation
- Tränendrüse statt Argument (oder umgekehrt)
- zu viele Bitten aus der gleichen Organisation
- schlechte Erfahrung mit der Organisation, hatte keine Berichte geliefert oder sich nicht bedankt etc.
Das ist schon eine ziemlich beeindruckend-erschreckende Liste und man mag sich fragen, ob man überhaupt mit vertretbarem Aufwand Anträge erfolgreich stellen kann. Aber zur Beruhigung: Wenn man einmal eine Stiftung besser kennt, ist der Aufwand überschaubarer. Und im Gegensatz zu den nichtverhandelbaren harten Kriterien der Stiftungssatzung können wir mit den Menschen in den Stiftungen sprechen und sie für unsere Sache gewinnen versuchen.
Jede Stiftung tickt eigenständig
Bei einer Podiumsveranstaltung, die ich einmal für Leitungskräfte meines Arbeitgebers mit gestaltete, wurden Vertreter von zwei Stiftungen aus dem Publikum gefragt, was ihre Förderentscheidung beeinflusst. Hier sind die ungefilterten Antworten protokolliert:
Stiftung A (von den noch lebenden Stiftern geführt)
- Wann sind wir als Stiftung begeistert?
- Das Glänzen in den Augen des Gegenübers muss zu sehen und spürbar sein.
- Engagement muss sichtbar sein.
- Informieren Sie sich vorher über die Stiftung und uns, keine Massen-Mailings.
- Richtige Schreibweise von Namen und Rechtschreibung allgemein.
- Themenschwerpunkte müssen passen
- „Brennt da jemand?“ – Begeisterungsfähigkeit für das Projekt.
- Keine parallelen Projekte.
- Nur Informationen über das Projekt senden (weniger ist mehr).
- Zusammenfassung (auf einer Seite) wäre schön.
- Laufende Kommunikation ist uns wichtiger, auch wenn es mal nicht läuft, bitte Informationen geben.
- Übertriebene Dankbarkeit ist schlecht.
- Wir möchten gerne die freie Wahl haben, „Nein“ sagen zu können, ohne große Begründungen dafür zu geben.
- Wir sind nur Menschen auf der anderen Seite.
Stiftung B (die Verwaltung geschieht durch mehrere Angestellte)
- Keine Lyrik, kurze Beschreibungen, Anträge auf Formular.
- Klare Bewertung von Ziel und Nutzen.
- Erfassung des Themas, konzeptionelles Denken muss sichtbar sein.
- Ich muss verstehen können, um was es geht.
- Schnelle Bearbeitbarkeit des Antrages, ohne lange Nachfragen.
- Das Vorhaben muss klar sein.
- Doppelte Anfragen kommen schlecht an.
Zwei Stiftungen und zwei sehr unterschiedliche Blickwinkel. Und mit jeder neuen Stiftung ließen sich weitere Aspekte ergänzen. Daraus folgen drei wichtige Punkte:
- Recherchieren ist das A und O im Werben um Stiftungsgelder.
- Die Kontakte müssen akribisch dokumentiert werden. Das gilt für Zu- wie für Absagen und für persönliche Eindrücke. Denn das ist die Basis für künftige Förderanträge. Jede NPO gelangt so zu einem individuellen Stiftungsverzeichnis.
- Managementgeführte Stiftungen sind häufig berechenbarer, stärker an objektiv nachlesbaren Kriterien bei ihren Entscheidungen orientiert.
Fundraising bei Stiftungen ist sehr vergleichbar mit dem Großspendenfundraising. Bei Stiftungen geht es zwar nicht um das eigene Geld der Menschen, mit denen wir sprechen, doch emotional verhalten sich die Stiftungsvorstände sehr ähnlich. Das in einer Organisation vorhandene Wissen zum Großspendenfundraising lässt sich also durchaus für die Kontaktaufnahme und -pflege bei Stiftungsvorständen adaptieren – und ggf. auch umgekehrt.
Und ein kleiner, doch nicht unwesentlicher Tipp zum Schluss: Wenn man einen erfolgreichen Stiftungsantrag gestellt hat, muss man die Kommunikation auf jeden Fall fortführen. Immer wieder hört man aus Stiftungen, dass nach der Bewilligung eines Antrags die Kommunikation abbricht, man nichts mehr von dem Förderprojekt oder der Organisation hört. Diesen Fehler sollte man also keinesfalls begehen. Und das betrifft auch den Fall, dass bei dem geförderten Vorhaben mal was nicht ganz rund läuft oder gar schief geht. Vorstände und Mitarbeitende in Stiftungen sind sehr dankbar, wenn sie auch in diesem Fällen informiert werden und “im Boot” bleiben.
Mein gesammeltes Fundraising-Wissen findet man im Fachbuch “Fundraising-Coach”. Es ist der umfassende Praxisratgeber, um systematisch und erfolgreich Spenden zu werben – erhältlich hier in meinem kleinen Shop oder über jede Buchhandlung bestellbar.