Einige 100 Euro- und 50 Euro-Geldscheine liegen auf einem maschinegeschriebenen Brief.

Im Verborgenen geben – oder Schwarzgeld?

Unsere medial vermittelte Welt bedient uns in erster Linie mit schlechten Nachrichten, da diese unsere Aufmerksamkeit stärker fesseln. Das führt dazu, dass wir unsere Welt stark durch diese negativ gefärbte Brille wahrnehmen und in vermeintlich weiser Voraussicht bei allem erst einmal das Schlimmste annehmen. Wir wollen auf der sicheren Seite sein und lieber positiv überrascht als negativ enttäuscht werden.

Das hatte vielleicht auf die Person im Hinterkopf, die uns die im Bild sichtbaren Geldscheine mit dem beiliegenden Brief schickte. 1000 Euro steckten in einem Briefumschlag, der kürzlich per Post im Büro ankam. Im Brief stand folgender Text (im Original übernommen):

Dies ist redlicherworbenes Geld.
Ich hatte noch nie anderes.
Ich danke Gott, daß es mir jetzt so gut geht.
Daher möchte ich jetzt auch – ohne viel Aufsehen
Anderen helfen, die in Not gekommen sind.
Nehmen Sie das Geld für die Wärmestube und Tafel.
Einen schönen Advent, gesegnete Weihnachten und ein
Hoffentlich gutes neues Jahr.

Religiöse Prägung

Bei Menschen mit einer starken christlich-biblischen Orientierung ist es nicht ungewöhnlich, dass Spenden anonym gegeben werden. Sie beziehen sich dabei auf den biblischen Text, Matthäus 6,1-4, (vom Almosengeben). Darin heißt es:

„Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. … Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe;“

Bei unserem Bargeldbrief traf vermutlich religiöse Doppelmotivation – Geben und im verborgenen Geben – auf die gesellschaftliche Botschaft, dass anonymes Geld schlechtes Geld sei. Nachrichten von „schwarzen Koffern mit Parteispenden“, Bankanfragen zu Geldwäscheverdachtsfällen, Ethikregeln der Organisationen bei Spendenannahmen, etc. kennen wir alle zur Genüge.

Und – ich spekuliere weiter – in dieser Gemengelage kommt es nun zu diesen ersten zwei Zeilen des Briefs. Sie haben auf mich die Wirkung, dass der weitere Inhalt des Briefs in den Hintergrund rückt. Durch das rechtfertigende Betonen, dass das Geld redlich erworben wurde, gerät die gute Absicht der Hilfe in den Hintergrund. Der Willen, einfach ohne Aufsehen geben zu wollen, wird entwertet.

Alltagsethik

Ich gebe zu, dass ich in meinem Alltag als Fundraiser extrem wenig Ehrgeiz habe, mir Gedanken über die Herkunft von gespendetem Geld zu machen. Ist es wirklich schlimmer, wenn es zum Beispiel aus einem moralisch anstößigen Geschäft stammt, als wenn es über Kursgewinne von höchst ehrenwerte börsennotierte Rüstungsunternehmen käme? Sind Erträge bei Banken, die in umweltzerstörende Rohstoffabbau-Projekte investieren, denn sauberer als Bordell-Erlöse? Sind Gehälter, die im Braunkohlekraftwerk verdient wurden, schmutziger als die aus der Arbeit in der Solarpanel-Produktion? Vielleicht vereinfache ich hier unzulässig. Aber in einer derart komplexen und wirtschaftlich verflochtenen Welt halte ich so manche ethische Seminarrede für weltfremd.

Aber weg vom individuellen Maßstab. Denn da beginnt der Fehler im Denken. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir vor einer ethischen Entscheidung stehen, sollten wir uns klar werden, dass wir als Fundraiserinnen im Namen und mit dem Blickwinkel unserer NPOs handeln. Das gilt auch für ethische Entscheidungen. Wenn wir unsicher sind, sollten nacheinander die folgenden Perspektiven einnehmen und uns dabei auch mit Kolleginnen austauschen:

  • die Spender*innen in ihrer Gesamtheit
  • den von der Organisation unterstützte Zweck
  • falls unsere Organisation Menschen hilft, deren Perspektive
  • die Öffentlichkeit, auch in Form der Medien

Im vorliegenden Fall war es recht einfach. Der Betrag ist zwar bedeutsam, aber nicht außergewöhnlich hoch und liegt sicher unter allen Warnschwellen. Natürlich haben wir also die 1000 Euro sehr gerne angenommen. Uns tat nur etwas der absendende Mensch leid, dass der Wille zum Guten von der Befürchtung der Ablehnung beschattet wurde. Gleichzeitig bewunderten wir sein Vertrauen in die Post, dass uns der gut gefüllte Umschlag sicher erreicht.

Und um den Anfang dieses Beitrags aufzugreifen: Vielleicht dient dieser kurze Brief mit seiner beiliegenden Gabe als kleine gute Nachricht und Gegenpol zu dem Negativen unserer Nachrichtenströme und Timelines.


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