Demokratie braucht Fundraising

Fundraising wird bei Leitungskräften gemeinnütziger Organisationen gerne als Betteln angesehen. Politisches Ziel müsse sein, dass die Grundbedürfnisse von Menschen, Tier und Natur vom Staat abgedeckt werden. Fundraising befreie den Staat von seinen ureigensten Aufgaben.

Das ist eine nachvollziehbare Argumentation. Die Vorstellung, mit dem Staat auf Augenhöhe zu verhandeln – gleich ob Kommune, Land oder Bund – ist eine Schönwettersicht. Sie wurde in Zeiten geboren, in denen die Fördermittel in vielen Bereichen kräftig flossen. Doch diese Zeiten sind Vergangenheit.

Ein Beispiel: Nach Jahren der Förderung sollen Organisationen, die sich um die Entwicklung demokratischer Prozesse kümmern, ihre Förderung verlieren. Auf Bundes- und Landesebene wurden Einsparungen verkündet.
Oder blicken wir in die USA. Anfang Februar 2025 kam die Nachricht, dass USAID, die weltweit größte Entwicklungshilfeorganisation, ihre Arbeit temporär komplett einstellen soll, so die neue US-Regierung unter Trump.

Es ist ehrenwert, darauf zu hoffen oder zu vertrauen, dass der demokratische Staat (der wir ja alle sind) schon wisse, was förderungswürdig sei und entsprechend handelt. Doch der realistische Blick lehrt uns anderes: Vom Gemeinderat bis zum Bundestag und der EU-Kommission erleben wir, dass Förderungen gemeinnütziger Aufgaben politischen Erwägungen unterliegen. Gerade die sogenannten freiwilligen Leistungen unterliegen starken Schwankungen, hängen vom Steueraufkommen und politischen Konstellationen ab. Doch auch die gesetzlichen Pflichtleistungen sind oft unter einem Finanzierungsvorbehalt, müssen eingeklagt werden oder Gesetze und Verordnungen werden nach Haushaltslage und politischem Kalkül verändert.

Doch was geschieht, wenn öffentliche Mittel nicht mehr fließen – warum auch immer? Werden unsere sozialen, ökologischen, kulturellen, sportlichen, etc. Zwecke denn obsolet? Verschwinden gesellschaftliche Bedarfe einfach?

Wenn es kriselt, kommt plötzlich das ungeliebte Kind Fundraising ins Spiel. Dann muss es schnell gehen. Und am liebsten werden große Spenden erwartet, damit der Aufwand überschaubar bleibt. Doch Fundraising ploppt nicht von heute auf morgen auf. Das funktionierte auch nicht bei den Stiftungen, die in der Zinskrise panisch auf Fundraising schauten und jetzt wieder alles jemals gelernte vergessen und auf ETF & Co hoffen.

Natürlich gibt es auch große und bedeutsame Spenden. Leider nicht nur dort, wo viele Akteure der Zivilgesellschaft sie gerne hätten. Den neoliberalen Einfluss von immer reicheren Milliardären auf Politik und Gesellschaft können wir nicht nur in den USA beobachte. Auch hier kommen plötzlich Millionenspenden wohlhabender Menschen bei der rechtsextremen AfD an.

Fundraising sorgt für eine vielfältige und stabile Zivilgesellschaft

Ich behaupte: Eine Zivilgesellschaft, in der Fundraising als Wesensmerkmal verankert ist, ist vielfältig und stabiler. Fundraising sorgt dafür,

  • dass gemeinnützige Bedarfe früher erkannt werden und darauf reagiert wird,
  • nicht der Staat allein bestimmt, wie gemeinnütziges Handeln (sozial, gesellschaftlich, ökologisch, etc.) auszusehen hat,
  • dass Eigenmittel vorhanden sind, um Zuschüsse Dritter (öffentliche Hand, Stiftungen) erhalten zu können,
  • selbstbewusster mit Geldgebern verhandeln zu können,
  • auf Förderungen verzichten zu können, wenn damit unangemessene Bedingungen verbunden wären,
  • ein weiteres finanzielles Standbein zu haben, um krisenfester zu sein,
  • dass auch Organisationen, die der Staat aus politischen Gründen für nicht gemeinnützig anerkennt, handlungsfähig sind.

Nicht zuletzt gibt es Organisationen, die aus grundsätzlichen Erwägungen heraus auf jede öffentliche Förderung verzichten, um erst gar keine Abhängigkeit entstehen zu lassen. Das halte ich persönlich für übertrieben, denn als Mitglied der Gesellschaft, finde ich es richtig, dass der Staat dem gemeinnützigen Sektor im Sinne der Subsidiarität Aufgaben überträgt und auskömmlich finanziert.

Fundraising verankert gemeinnützige Organisationen über ihre Mitglieder hinaus in der Gesellschaft. Fundraising ist mehr als nur das Bitten um Geld. Fundraising ist ganz wesentlich Öffentlichkeitsarbeit. Jede Spendenbitte, jeder Rundbrief, jede E-Mail erzählt und erklärt idealerweise, wie und warum wir handeln. Fundraising ist die Brücke der gemeinnützigen Organisationen in die Gesellschaft. Fundraising zeigt Menschen, dass sie mit Zeit- und Geldspenden Veränderung bewirken können.

Demokratie braucht Fundraising. Und Fundraising braucht Organisationen, die selbstbewusst dazu stehen, dass die Unterstützung durch die Spenden vieler Menschen keine Schwäche, sondern eine Stärke ist.

One thought on “Demokratie braucht Fundraising

  1. Ein lautes JA – nicht nur wegen der spendenfinanzierten Fahne. Fundraising ist Demokratie mit allen Spannungen darin: Ohne Spenden einzelner Menschen, ob kleine oder große Beträge, wäre vieles nie möglich. Vor allem das nicht, was bereits im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. Die Aufgabe kleiner Organisationen und Initiativen ist es oft, ein Thema erst in die Mitte zu schieben – und bis dahin gibt es für vermeintliche Randthemen keine öffentlichen Gelder. Und wenn dann nicht nur 30×40 Euro kommen, sondern eine vermögende Person die Arbeit für ein ganzes Jahr absichert, ist das großartig und gleicht Lautstärke-Ungleichheit aus.

    Zugleich können gerade Großspenden verzerrend sein: Wenn jemand 100.000 Euro oder mehr gibt, entscheidet die Person damit auch über gut 40 Prozent und mehr Steuergeld davon – der demokratisch gewählte Fördermittelgeber würde das Geld vielleicht eher in Brennpunkt-Schulen als in die Schule in Wohnortnähe der spendenden Person geben, oder in Sozialhilfe statt Oper.

    Wäre es daher noch demokratischer, wenn es einen Deckel für die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden gäbe (aber dennoch keine Schenkungssteuer bei der empfangenden Gruppe)?

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