Vergesst die Jahresziele

Es ist Februar. Der Alltag hat uns nach dem Jahreswechsel in Beschlag genommen. Und wie steht es mit den Jahreszielen, falls vorhanden? Was ist mit den selbstgesetzten oder im Jahresgespräch vereinbarten oder aufgezwungenen Vereinbarungen für das laufende Jahr? Sind sie schon in Arbeit, noch im Blick oder etwa teilweise erledigt?

Ich möchte wetten, dass bei den meisten von uns die Jahresziele im Alltag keine ernsthafte Rolle spielen. Das Alltagshandeln wird von den Gewohnheiten, täglichen Aufgaben und eingefahrenen Abläufen dominiert. Langweilig ist es den Wenigsten, die Jahresziele kommen on top. Im März, Juni oder spätestens im September nehmen wir sie uns dann aber ernsthaft vor. Bis dahin stehen noch x, y und z auf der Agenda.

Ferne Termine lassen uns warten

Welche Erfahrungen machen wir im Alltag, wenn es darum geht, sich zwischen Eile und Weile zu entscheiden? Meine Alltagserfahrung – und praktischerweise deckt sie sich mit psychologischen Untersuchungen – sagt, dass eine lange Frist dazu führt, dass die erwartete Antwort häufiger ausfällt.

Gutscheine werden beispielsweise abhängig von ihrer Gültigkeitsdauer eingelöst. Je länger ein Gutschein noch Gültigkeit hat, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt eingelöst wird. Die gesetzliche Gültigkeit von drei Jahren für Gutscheine war verbraucherfreundlich gedacht gewesen. Faktisch führt sie dazu, dass eher weniger Gutscheine eingelöst werden.

Genauso ist es bei unseren Jahreszielen oder anderen Aufgaben. Eine lange oder gar unbestimmte Frist führt dazu, dass eine Aufgabe aufgeschoben wird. Das liegt daran, dass wir den Zeitpunkt, zu dem die Aufgabe erledigt sein soll, aus den Augen verlieren. Wir denken, das hat ja noch Zeit und verdrängen die Aufgabe aus dem Kopf. Das betrifft sogar angenehme Aufgaben wie das Einlösen eines Gutscheins. Wenn es sich dann noch um ein Bündel von Aufgaben handelt, wie bei etwas komplexeren Jahreszielen üblich, wird es noch schwieriger. Denn dann müssten wir uns zuerst noch die erste Aufgabe herauspicken oder eine Struktur in dieses Aufgabenbündel bringen und eine Reihenfolge festlegen.

Wenn wir einen Termin in der Zukunft haben, das Einlösen des Gutscheins bis zum 31.12. des überübernächsten Jahres, die Steuererklärung zum 31. Mai, die Jahresziele bis zum 31.12. des aktuellen Jahres, sieht unser Gehirn dieses Enddatum. Und unterbewusst setzen wir das auch als Startdatum an. Aus dem Enddatum wird im Kopf das Startdatum.

Dringlichkeit bringt Response

Wenn ich einen Textbeitrag von Fachkolleg.innen korrigiert oder im Entwurf brauche, setze ich mittlerweile knappe Termine. Früher gab ich gerne 2-3 Wochen Zeit, bis ich die Rückmeldung erwartete, denn es sind ja alle im Stress und beschäftigt. Faktisch bekam ich die Rückmeldung trotzdem immer auf den letzten Drücker oder kurz nach Termin. Die Aufgabe „Textkorrektur“ wurde also erst angefangen, wenn sie sich wegen des Termin nicht mehr vermeiden ließ. Wenn ich. nur drei oder vier Tage Zeit gebe, klappt die Rückmeldung genau so. Und ich spare mir normalerweise die Erinnerung, die ich sonst immer losschicken muss.

Es geht nicht darum, einem Mythos wie „Unter Druck arbeite ich am besten“ zu huldigen. Das stimmt häufig nicht. Die knappe Frist muss schon so bemessen sein, dass die erwartete Rückmeldung sicher und in guter Qualität erfolgen kann. Aber die Frist darf nicht so lange sein, dass man sie aus den Augen verlieren kann. 

Gehirngerechte Zeiträume nutzen

Die fehlende Dringlichkeit ist eine wichtige Ursache, warum Jahresziele so häufig nicht erreicht oder überhaupt nicht begonnen werden. Ein Jahresziel mit Enddatum 31.12. liegt ewig weit weg und ist alles andere als dringlich. Ganz anders sieht ein auf den Monat oder die Woche heruntergebrochenes Ziel aus. Dieses hat eine andere Qualität für unsere Prioritäten.

Das betrifft auch Termine, die wir uns selbst setzten. Wenn ich eine Broschüre verfassen möchte, die ich gedanklich in zwei Monaten als zur Abgabe terminiere, ist sie damit leicht aus den Augen. Setze ich aber als Zwischenziel, dass ich alle zwei Tage eine Seite verfassen muss, damit ich den Zeitplan einhalte, werde ich sicherer – und entspannt – zum Ziel kommen. Mit diesen kurzfristig angesetzten Zielen arbeite ich gehirngerechter.

Wenn wir also unsere Liste von zum Beispiel vier Jahreszielen ansehen, müssen wir überlegen, wann wir diese angehen und erledigen wollen. Ich persönlich bin ein Freund von Visualisierung und nutze dafür Kalender. Dabei ist es egal, ob der aus Papier oder digital ist. Praktisch finde ich Kalenderprogramme, mit denen ich mit Kalender für gewisse Zeiträume erstellen und ausdrucken kann und in die ich dann Abläufe eintrage.

Schritt 1: Fixtermine, volle Zeiten und Urlaube eintragen

Zuerst schreibe ich in den Kalender die festen Termine rein, Jahresfest, Teamklausur, etc. Dann folgen die eigenen Urlaubszeiten mit Textmarker und ggf. die Urlaubszeiten von Anderen, soweit die für meine Arbeit relevant sind. Dann markiere ich noch die Zeit der Schulferien.

Schritt 2: Ziele notieren und Zeiträume schätzen

Jetzt hole ich die Liste meiner Jahresziele oder -vorhaben und schätze, wie viel Zeit ich ungefähr brauche, damit ich jedes einzelne erledigen kann. Wen brauche ich zum Erreichen des Ziels aus dem Team? Gibt es Abstimmungsschleifen mit anderen, Vorständen etc.? Bei Zeiträumen lieber mehr Zeit geben, 30% dürfen es gerne sein. Wir unterschätzen die benötigte Zeit fast immer.

Schritt 3: Reihenfolge bestimmen

Welches Ziel, welches Aufgabenbündel ist von seiner Struktur her an einen bestimmten Zeitraum gebunden? Welche Ziele sind am wichtigsten oder hängen voneinander ab? Wir legen nun die Reihenfolge der Ziele fest, in der wir sie erreichen möchten.

Schritt 4: Zeiträume blockieren

Wenn wir nun die Ziele in einer Reihenfolge haben und ihre Länge schätzen, packen wir sie in den Kalender. Damit beginnt die Feinplanung und die sollte gehirngerecht sein. Welcher Zeitraum ist für einen überblickbar? Gibt es vorgegebene Zeiten der Organisation, in denen gedacht wird? Im schulischen Kontext hat man zum Beispiel meist die üblichen 6-7 Wochen zwischen den einzelnen Ferien im Blick.

Ob ein Monat, zwei Monate, ein Quartal … für uns alle sieht der ideal überblickbare Zeitraum anders aus. Wichtig ist nur, dass er mit der jeweiligen Aufgabe zusammenpasst. Ich kann nun zum Beispiel mit verschiedenfarbige Stiften physisch oder digital die Zeiten der einzelnen Vorhaben im Kalender grob markieren. Da Aufgaben immer länger als geplant brauchen, lieber etwas großzügig sein und ein Drittel mehr Zeit als geschätzt markieren. Ein langsam erreichtes Ziel ist immer noch besser als ein ewig aufgeschobenes.

Schritt 5: Anfang- und Endtermin setzen

Damit etwas Verbindlichkeit in die Sache kommt, können wir nun Anfangs- und Endtermine bestimmen und diese mit anderen vereinbaren oder kommunizieren. Endtermin kann die Präsentation beim Vorstand sein, eine Abgabe zum Druck etc. Beginn ist eine Startbesprechung mit dem Team, den Vorgesetzten etc. Wichtig ist nur, dass das Gehirn merkt, dass es ernst gemeint ist.

Nun stehen anstelle von vier zum 31.12. fälligen Jahreszielen auf einmal vier konkrete Zeiträume im Kalender, die ich mir für diese Aufgaben reserviert habe. Damit kann das Gehirn anfangen zu arbeiten. Je konkreter ich die Zeiträume plane, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit der Arbeit an den Zielen anfange und sie zum Abschluss bringe. Aus dem agilen Arbeiten bei der Softwareentwicklung oder dem Aufbau von Start-ups kennt man das unter dem Begriff des Sprint. Sprints sind überschaubar kurze Zeiträume, in denen klar definierte Aufgaben erledigt werden. Ein Sprint folgt auf den anderen, die Arbeit geschieht fokussiert und verbindlich in Abstimmung mit anderen.

Ein kleiner Tipp zum Schluss: Das Erreichen von Zielen sollten in der eigenen Macht stehen und nicht vom Zufall oder anderen abhängig sein. Doch dazu mehr in einem späteren Blogbeitrag.


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