Provokation: Heben oder senken wir Fundraiser*innen die Spendenbereitschaft?

Auf den ersten Blick ist das eine unsinnige Frage. Klar, mit unseren Mailings, Face-to-Face-Aktionen, Beilagen, Gesprächen und Telefonaten bewegen wir jedes Jahr Millionen von Menschen, eine Spende zugunsten einer gemeinnützigen Organisation zu geben.

Aber irgendwie scheinen sich alle Forschenden einig zu sein: Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung wächst nicht, sie sinkt eher. Diejenigen, welche geben, geben dafür mehr.

Sind wir Fundraiser*innen also nur dafür gut, das Maximum an Spenden zu erwirken?

Wie steht es um unsere Fähigkeit, bisherige Nicht-Spender.innen von der Sinnhaftigkeit des Spendens zu überzeugen? 

Oder ist es gar so, dass wir mit unserem Instrumentarium eher das Gegenteil erreichen? Wir messen bei einem Mailing nur, wie viel Prozent der Angeschriebenen mit einer Spende reagieren. Wir sehen aber nicht, wie viel Prozent der Angeschriebenen nicht nur desinteressiert, sondern von den „Bettelbriefen“ abgestoßen sind.

Wir messen nur, wie viel Abschlüsse im Dialog-Fundraising auf den Fußgängerzonen gemacht werden. Wie messen nicht, wie viele Menschen diese Art der Kontaktaufnahme als bedrängend oder störend empfinden und diese Abneigung mit den werbenden Organisationen verknüpfen.

Unter’m Strich: 

  • Wie gut sind sind wir als Fundraiser*innen darin, das philanthropische Verhalten der Bevölkerung zu vergrößern?
  • Haben unsere Fundraising-Aktivitäten auch einen abschreckenden Charakter und führen zu bewussten oder unbewussten „Nicht-Spenden“?
  • Was tun wir als spendensammelnde Organisationen dafür, um die Bedeutung von Spenden als Zeichen einer pluralen Zivilgesellschaft Wert zu schätzen – und diese Wertschätzung zu kommunizieren?
  • Was machen unsere Interessensvertretungen (die Dachverbände auf Bundesebene, der Deutsche Fundraisingverband) effektiv, damit mehr Menschen die Freude am Geben entdecken? Wo werden gezielt die bisher Nicht-Spendenden, welche finanziell zu einer Spende in der Lage wären, angesprochen?

Interessant finde ich in diesem Kontext, dass sich die hauptsächliche Kritik am Fundraising, durchwegs auf die Fundraising-Maßnahmen bezieht, welche von den großen oder bundesweiten NPOs durchgeführt werden, also Face-to-Face, Kaltadressmailings, Telefonfundraising. Die kleinen und mittleren NPOs befinden sich hier im negativen Kielwasser.

Der gemeinnützige Sektor muss lernen, die wachsende Gruppe derjenigen, welche trotz vorhandener Geldmittel nicht spenden, zu erreichen und positiv mit dem Erlebnis „Spende“ in Berührung zu bringen. Wir brauchen Forschung, um mögliche „Anti-Wirkungen“ von Fundraising-Maßnahmen zu erkennen.


Hurra, ein neues Fundraising-Standardwerk!
(Dr. Christoph Müllerleile)

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