Stellensuche: in 14 Schritten zum Wunschprofil

Fundraiser*innen mit Erfahrung werden laufend gesucht. Wenn räumliche Flexibilität vorhanden ist, steht, bei entsprechender Qualifikation, einer neuen Stelle nur wenig im Weg.

Im Rahmen kollegialer Beratung treffe ich aber immer wieder darauf, dass Stelle und Stelleninhaber*in einfach nicht zueinander zu passen scheinen. Gelegentlich erlebe ich, dass Menschen mehrfach hintereinander nicht mit ihren verschiedenen Arbeitgebern zurecht kommen und die Stelle wechseln wollten oder mussten. Wie bei Beziehungen sucht man sich immer wieder ähnliche Partner und arbeitet sich an ähnlichen Mustern ab. Mit etwas Überlegung und Selbstreflektion lässt sich viel Frust vermeiden. Deswegen hier einige Tipps zur Stellensuche:

Bereits vor der Stellensuche sollte man sich möglichst schriftlich überlegen, wie das ideale Stellenprofil aussehen soll. Anhand des Wunschprofils können die gefundenen Stellenangebote bewertet werden. Gerade der Bereich, in welchem Umfang man sich kompetent und fähig zur selbstorganisierten Arbeit sieht, sollte selbstkritisch reflektiert werden. Eine verhängnisvolle Kombination trifft man dort, wo eine NPO neu ins Fundraising einsteigen möchte, ein geringes Budget hat und damit eher Berufseinsteiger*innen anspricht. Das birgt Potential zur wechselseitigen Enttäuschung.

Checkliste zum Wunschprofil

Die folgende Liste ist eine Anregung, sich über das Profil der künftigen Arbeitgeber-NPO klar zu werden. Nur wenn ich meine Wünsche kenne, kann ich eine Stellenanzeige nüchtern auf ihr Potential abklopfen. Es ist wie bei der Online-Partnersuche: Je mehr ich über mich und über meine Wünsche ins Profil eingebe, desto passender sind die Dating-Vorschläge. Und das heißt, ehrlich zu sein.

  • Gehalt: Welche Gehaltsvorstellung habe ich? Was verdiene ich (Brutto-Jahresgehalt) derzeit, was möchte ich haben? Welche tarifliche Gehaltsstufe will ich erreichen? Gibt es eine Zusatzversorgung?
  • Aufgabe: Möchte ich mich auf einem Gebiet spezialisieren? Bin ich bereit, im Inland oder Ausland zu reisen?
  • Ort: In welcher Region suche ich? Bin ich zu einem Umzug bereit? Wie weit würde ich realistisch täglich pendeln wollen? Ist die Möglichkeit von Homeoffice gegeben? Wäre ich bereit, auch im Homeoffice zu arbeiten?
  • Neuaufbau oder etabliert: Traue ich mir zu, das Fundraising einer NPO von Grund auf aufzubauen, oder suche ich eine Stelle, bei der ich auf einem stabilen Fundament weiterarbeiten kann?
  • Team oder allein: Will ich in einem Team (mit Spezialisierungen) arbeiten? Möchte ich allein für alles verantwortlich sein? Wie viel Hierarchie brauche ich oder bin ich bereit zu ertragen?
  • Leitung: Möchte ich ein Team leiten, oder ist mir die inhaltliche Arbeit wichtiger?
  • Ideologie: Welche inhaltliche Ausrichtung der NPO ist mir wichtig? Welche möchte ich auf jeden Fall vermeiden? Wie wichtig ist mir, dass die ideologische Ausrichtung der NPO auch im beruflichen Alltag gelebt wird? Was bin ich bereit mitzutragen, wo sind meine Grenzen? Für was möchte ich werben? Wo würde ich als Person gut hinpassen? Wo würde ich mich fremd oder unwohl fühlen? Denken Sie dabei an die typischen Felder Soziales, Caritas und Diakonie, Religion, Tierschutz, Umweltschutz, Kultur, Bildung, Entwicklungszusammenarbeit, LGBTQ, Frauenrechte, Bürgerrechte etc.
  • Arbeitgeber: Möchte ich in etablierten Strukturen mit tariflicher Sicherheit arbeiten? Wäre ich bereit, mich auf eine kleine und unbekanntere NPO einzulassen? Welcher Professionalisierungsgrad der NPO ist mir wichtig? Käme ich mit einer Start-up-Mentalität zurecht oder suche diese sogar?
  • Fähigkeiten: Welche Fähigkeiten bringe ich mit? Denken Sie dabei an fachliche Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften (Eigen- und Fremdeinschätzung!). Bin ich innovativ (Belege!), kann ich gut in komplexen Strukturen mit anderen interagieren? Welche Freiräume brauche ich?
  • Kontakt zu Menschen: Möchte ich im Alltag wenig oder viel Kontakt mit Menschen haben? Wie kontaktfreudig bin ich in Bezug auf Kolleg*innen, Telefonate, Reisetätigkeit mit Besuchen? Was brauche ich, was möchte ich meiden?
  • Dauer: Akzeptiere ich einen befristeten Vertrag?
  • Biografie: Welche Erfahrung habe ich bei bisherigen Arbeitgebern gemacht? Was war gut und was war schlecht? Gibt es Konstellationen, die ich unbedingt vermeiden möchte?
  • Leitungsstruktur: Kann ich mir vorstellen, mit einer ehrenamtlichen Leitung zu arbeiten? Welche Anforderung (inhaltlich, Präsenz etc.) müsste mein/e Vorgesetzte/r erfüllen?
  • Verantwortung und Befugnisse, Ausstattung: Wofür möchte ich verantwortlich sein? Wofür nicht? Welche Freiheit erwarte ich? Welche Anforderungen habe ich an die Ausstattung? Arbeitsplatz, EDV, Budgetverantwortung etc.?

Dieses Profil sollte man schriftlich erstellen. Geschriebenes hat eine andere Wirkung und Verbindlichkeit als nur Gedachtes. Im Schreiben entwickelt sich das Denken. Nutzen Sie dieses schriftliche Profil. Es hilft mehrfach:

  • Manche Stellenanzeige ist ausführlich formuliert, gibt aber nur wenig konkrete Auskünfte. Ihr Wunschprofil hilft, Stellenanzeigen kritisch auf Genanntes und Ungenanntes hin zu lesen.
  • Ein Vorstellungsgespräch muss man gut vorbereiten. Wer sich aus einer bestehenden Stelle heraus bewirbt, sollte sicher sein, dass es beim möglichen neuen Arbeitgeber wirklich passt. Nicht dass man sich schon während der Probezeit trennt, weil die Erwartungen vorab nicht klar formuliert und abgestimmt waren. Beim Vorstellungsgespräch aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis heraus, sollte man sehr aktiv Fragen stellen, nicht nur Fragen beantworten und die Selbstpräsentation der NPO anhören.

Eine Stelle muss für beide Seiten passen. Je klarer die eigenen Anforderungen, Wünsche, Ängste und Fähigkeiten einem sind, desto sicherer wird man sich auf der neuen Position fühlen und handeln können.

Tipp zur Praxis: Arbeiten Sie sich nicht an Strukturen ab, streben Sie nicht blind dem in Literatur und Vorträgen propagierten Idealzustand nach. Wählen Sie einen pragmatischen Ansatz und fokussieren Sie sich auf das Fundraising-Kerngeschäft. Nutzen Sie alle Freiheiten, die Ihnen geboten werden. Erst wenn Sie wirklich an eine Grenze aufgrund der Struktur stoßen, überlegen Sie sich planvoll, wie Sie die Aufbauorganisation in Ihrer NPO diskutieren können.

Im Fach- und Lehrbuch “Fundraising-Coach” sind die Themen “Fundraising als Beruf”, “Arbeitsorganisation” und “interne Kommunikation” ausführlich beschrieben.
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Kai Dörfner: Fundraising-Coach, ISBN ‏  978-3982430607)

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