Wenn das Erbe unglücklich macht: Stiften und Erbschaftssteuer sparen
In meiner Beratungspraxis als Geschäftsführer einer Stiftung kommt es gelegentlich vor, dass mir Menschen erzählen, dass sie ihre Zustiftung aus einem ererbten Geldbetrag geben und dass sie diesen nicht behalten möchten. So erzählte mir eine ältere Dame, dass sie vor 12 Jahren von einer Freundin einen höheren fünfstelligen Betrag völlig überraschend erbte und dieser seither nicht angerührt bei der Bank läge. Sie brauche ihn nicht und nun wolle sie ihn endlich loswerden und deswegen eine Zustiftung geben. Im Gespräch erwähnte sie noch die erhebliche Erbschaftssteuer, die sie seinerzeit aus dem Erbe bezahlen musste.
Und in der Tat: Wer als Freundin oder Freund der verstorbenen Person erbt, kann nur 20.000 Euro steuerfrei behalten. Darüber hinaus gilt die Steuerklasse III mit einem Steuersatz von 30 % (bis 6 Mio. Euro, darüber 50 %).
Eine 78-jährige Anruferin im Sommer 2023 war noch nicht so weit. Auch bei ihr fiel vor zwei Monaten eine Erbschaft an und ihr wurde bewusst, dass dafür erhebliche Erbschaftssteuer anfallen würde. Doch ihr Neffe hatte ihr erzählt, er hätte gehört, dass man durch eine Spende der Erbschaft an eine gemeinnützige Organisation die Erbschaftssteuer sparen könnte. Da lag der Neffe fast richtig und wir kommen zu einem für gemeinnützige Stiftungen sehr spannendem Gesetz. Und zwar dem § 29 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Dieses sagt zusammengefasst:
Wer innerhalb von 24 Monaten etwas Ererbtes an eine gemeinnützige Stiftung weiterschenkt, muss für diesen Teil des Erbes keine Erbschaftssteuer bezahlen oder bekommt bereits bezahlte Steuer zurück.
(Unten steht der komplette Paragraph zum Nachlesen.)
Ich konnte der Dame also sagen, dass sie noch fast zwei Jahre Zeit hätte, um sich zu entscheiden, ob sie das Erbe behalten und die Steuern zahlen möchte. Wobei in diesem Fall für sie belastend dazu kam, dass es sich bei der Erbschaft um eine weiter entfernt liegende größere Wohnung handelt. Sie müsste also die Wohnung vermutlich verkaufen, um die Steuer bezahlen zu können. Eine Hypothek zur Abdeckung der Steuer aufzunehmen kommt aufgrund ihres Alters nicht infrage – ältere Menschen sind für Banken nicht ausreichend kreditwürdig.
Nun beginnt das Fundraising. Den auch in Stiftungen ist der Sachverhalt der „durchgereichten Erbschaft“ ziemlich unbekannt, wie mir eine kleine Umfrage bei Fundraiser*innen zeigte. Und der Gedanke daran, dass jemand ein Erbe nicht haben möchte, ist vielen fremd. Den meisten von uns fielen mehr als genug Wünsche ein, die sich mit einer kleineren oder größeren Erbschaft verwirklichen ließen.
Doch warum möchte jemand sein Erbe (ob als Erbe oder in Form eines Vermächtnisses) nicht behalten? In Fundraising-Ausbildungen gibt es häufig eine Ethik-Einheit, in der man sich Gedanken darüber macht, von welchen Personen oder in welchen Situationen die Annahme von Spenden moralisch zweifelhaft sein könnte. Greenwashing, „Ablasshandel“ etc. sind Stichworte, die dann schnell fallen. Doch diese Ansätze helfen uns hier nicht weiter. Im privaten Bereich finden wir zum Beispiel folgende Gründe, die zur emotionalen Ablehnung einer Erbschaft führen:
- Das Erbe fühlt sich unverdient an.
- Das Geld wird nicht gebraucht, man ist finanziell ausreichend ausgestattet.
- Man möchte so viel Geld nicht haben. Es wird als Belastung empfunden, da man sich darum kümmern muss oder nun ständig jemand von der Bank wegen der Mittelanlage anruft.
- Das Erbe besteht aus einer Immobilie und es droht ein hoher Aufwand.
- Es ärgert einen, dass der Staat so viel Erbschaftssteuer behalten möchte.
- Erben wird aus moralischen oder ethischen Gründen abgelehnt.
Meist sind es ältere Menschen, die nicht besonders wohlhabend sind, aber für ihre Bedürfnisse ausreichend finanziell abgesichert sind, denen eine Erbschaft unwillkommen ist. Aber auch bei jüngeren Menschen in den 30er- und 40ern kommt das gelegentlich vor. Deren Probleme mit dem Ererbten sind zum Beispiel:
- Es schafft Distanz zu Freunden, welche weniger haben. Erben leben unter ihren Möglichkeiten, um nicht aufzufallen, keinen Neid zu wecken.
- Ererbtes Geld auszugeben (Auto, Reisen, Haus) schafft einen Rechtfertigungsdruck und stört das soziale Gefüge des Umfeldes.
- Es wird als unverdient empfunden, bleibt unangetastet auf dem Konto, wird verschwiegen.
- Es ist eine Belastung, weil es manchmal mit Verpflichtungen einhergeht, beispielsweise bei einer Unternehmensnachfolge.
Wer sich für dieses Thema mehr interessiert, dem empfehle ich das Buch „Wir erben - Was Geld mit Menschen macht“ von Julia Friedrichs.
Erbinnen und Erben sind daher durchaus offen für Angebote von gemeinnützigen Organisationen, um ihr Erbe (auch) sinnvoll einzusetzen. Bisher ist diese Zielgruppe noch recht wenig im Blick von gemeinnützigen Organisationen, da wir keinen Zugang zu diesem Wissen haben – anders als die Banken, welche umgehend mit Angeboten reagieren.
Für Stiftungen bietet es sich also unbedingt an, gezielt die Möglichkeit des steuersparenden Vermögensübertrags innerhalb der 24 Monate nach Erbeintritt bekannt zu machen. In den einschlägigen Broschüren, Flyern und auf der Website sollte dazu etwas stehen.
Im Gesetz steht übrigens nicht, in welcher Form diese Zuwendung erfolgen muss, ob also in den Vermögensstock der Stiftung oder als Spende zum zeitnahen Verbrauch. Wobei man, wenn man auf der sicheren Seite sein möchte, die Zuwendung in den Vermögensstock nehmen sollte. Denn es hat sicher seinen Grund, warum explizit Stiftungen als Empfänger erwähnt werden und nicht gemeinnützige Organisationen insgesamt. Der fundamentale Unterschied zwischen Stiftungen und anderen NGOs liegt eben in der Möglichkeit des dauerhaften Kapitalerhalts.
Mein gesammeltes Fundraising-Wissen findest Du im Fachbuch “Fundraising-Coach”. Es ist der umfassende Praxisratgeber, um systematisch und erfolgreich Spenden zu werben – erhältlich hier in meinem kleinen Shop oder über jede Buchhandlung bestellbar. (ISBN 978-3-9824306-0-7